Dieser Beitrag passt mir prima zu Cory Doctorows „Little Brother„.
Der private Freiraum geht uns gerade teils freiwillig, teils unfreiwillig Stück um Stück flöten. Ich meine jetzt gar nicht zwingend Facebook, Geodaten, WikiLeaks o.ä. – das beschreibt Larry Bock übrigens recht gut in seinem Artikel Trend Spotting: The Top 9 Rise & Falls We See in the Year Ahead. Er sieht im fortwährenden exponiert sein eine Chance: Wer unter dauernder Beobachtung steht, macht vielleicht keine krummen Dinger mehr? Und er geht sogar soweit, die jetzige Entwicklung mit dem Wilden Westen dereinst gleichzusetzen. Höflichkeit etablierte sich angeblich seitdem aus einer Überlebenstaktik heraus. Nun ist es zwar nicht so, dass das Web nichts vergisst. Im Gegensatz zur üblichen Meinung ist das Gedächtnis des Webs durchaus lückenhaft, aber darauf würde ich mich nicht verlassen. Die Netiquette ist aktueller denn je.
Nun ist das Netz jedoch nicht mehr nur eine Welt, die sich am Computer abspielt. Mit Smartphones ist es mobil geworden und durchdringt unser alltägliches Leben. Nun wird es interessant und wir schliessen den Kreis zu „Little Brother“, den ich eingangs erwähnt habe. In diesem Zukunftsszenario ist die Überwachung allgegenwärtig. Schwänzende Schulkinder können beispielsweise mit einer Applikation für das Smartphone einfach geknipst und bei der Schulleitung angeschwärzt werden. Etwas ähnliches gibt es jetzt schon. Es existieren mehrere Dienste, die wie SeeClickFix Möglichkeiten bieten, die engagierte Bürgerwehr zu mobilisieren.
An sich eine prima Sache, sofern es um so pragmatische Anliegen wie das Flicken von Schlaglöchern oder Reparieren von Parkbänken geht. Aber die Grenze zwischen Nutzen und Schaden ist schnell überschritten. SeeClickFix erlaubt das Erstellen privater Überwachungsgebiete – wie schnell kann hiermit wohl Schindluder betrieben werden? Und funktioniert das mit den guten Manieren dann tatsächlich? Ersinne ich nicht vielleicht eher Möglichkeiten die Überwachung zu unterwandern, sollte ich mich im Visier eines übereifrigen Bürgerwehrlers befinden? Auch bei Little Brother hat die Smartphone-Applikation letztlich die Schulkinder nicht vom Schwänzen abgehalten.